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Publizistikförderung
1996
Noch immer
kein Beschluß im Ministerrat
Andreas
Khol (ÖVP) greift SPÖ und Grüne frontal an
Khol erneuert
seine Diffamierung alternativer Zeitschriften und deren LeserInnen
Andreas Khol hat sich wieder
in den Sattel geschwungen und reitet einem in Umrissen erkennbar werdenden
Horizont entgegen. Der Verfassungsbogen versinkt derweil hinter seinem
Rücken.
In einer parlamentarischen
Anfrage an den Bundeskanzler "betreffend Publizistikförderung für
linksradikale und linksalternative Zeitschriften" vom 5. Dezember (1602/J)
entblößt er sich neuerlich als wahrhafter Antidemokrat, der
in der Verfolgung seiner GegnerInnen kein Mittel scheut. Die Anfrage an
den Bundeskanzler präsentiert sich als chaotisches Aufbegehren eines
zornigen Mannes, der sich in den Augen der Öffentlichkeit ins Unrecht
gesetzt hat und nun darüber beleidigt ist, daß sein Wille nicht
so ohne weiteres geschieht.
In seiner Anfrage hebt Khol
zu einem neuerlichen Rundumschlag gegen zehn Zeitschriften aus dem alternativen
Bereich an, deren Förderung ihm ein Dorn in der Krone ist.
Wir sehen uns gezwungen, uns
im Folgenden auf Khols Auslassungen einzulassen, obwohl wir - wie alle
in dieser Angelegenheit Befaßten - eigentlich längst Besseres
zu tun hätten:
- Diffamierung von Informationstätigkeit
und Herstellung von Meinungsvielfalt
Khol möchte Informationen
und Meinungen, die sich mit den seinen nicht vertragen, nicht gedruckt
sehen. Diesem Ziel gilt sein wehrhafter Husarenritt - sehen wir zu,
was ihm dabei unter die Hufe kommt:
a) Der Zeitschrift akin
legt Khol in seiner Anfrage zu Last, daß sie eine von Christian
Michelides und Gerhard Oberschlick verfaßte "Unterstützungserklärung
für das TATblatt", abgedruckt habe. Gemeint ist damit wahrscheinlich
der - aus Sicht der VAZ sehr verdienstvolle - Diskussionsbeitrag der
Genannten "für die Akzeptanz der Zeitschrift 'TATblatt'", in der
sie gerade die von Herrn Khol angewandten Methoden kritisierten. Damals
schienen diese Methoden noch der FPÖ vorbehalten. Das eigenwillige
Verhältnis Khols zu Wahrheiten, die in seiner unheilvollen Welt
von Gut und Böse keinen Platz haben sollen, zeigt sich darin, daß
er der akin ferner zu Last legt, sie habe einen Artikel veröffentlicht,
in dem zum mißlungenen Versuch der Sprengung eines Strommastes
in Ebergassing folgende - im übrigen kaum zu bestreitende - Tatsachenbehauptung
geschrieben steht: "Die beiden tatsächlichen Opfer sind Gregor
Thaler und Peter Konicek - die angeblichen Täter. Die beiden sind
nämlich tot."
b) Der Gewerkschaftszeitschrift
Die Alternative legt Khol zu Last, daß sie im Mai 1995 der TATblatt-Redaktion
Gelegenheit zur "Stellungnahme zu den Vorwürfen des linksextremen
Terrors" gegeben hat. Welche noblere Aufgabe kann eine Zeitschrift haben,
als jemandem die Möglichkeit zur öffentlichen Stellungnahme
zu öffentlich erhobenen Vorwürfen zu geben?
c) Der Zeitschrift ZOOM
legt Khol zur Last, daß eine ihrer Vorgängerzeitschriften
(ZAM) einen Bericht über einen von mehreren hundert Personen unterstützten
'Aufruf zur Nichtbefolgung von Militärgesetzen' "erlassen" habe.
Daß Khol zur Unterscheidung zwischen öffentlicher Berichterstattung
und hoheitlichem Erlaß nicht in der Lage ist, werten wir als weiteren
Hinweis auf seine autoritär eingeengte Perspektive, in der sich
natürlich auch ein "Verfassungsbogen" entsprechend verkürzt
darstellen muß. Ferner wird ZOOM ihre "grundsätzlich antimilitaristische
Haltung" sowie ihre "Solidarisierung mit den Zeugen Jehovas" (um deren
Gewissensfreiheit es laut einem Beitrag "schlecht bestellt" ist) vorgeworfen.
Als Nachfolgeprodukt der Zeitschrift EKG stellt ZOOM in Khols Augen
eine Gefährdung der "wehrhaften Demokratie" dar, denn: sie "fährt"
eine "Anti-Europa-Linie".
d) Gegen die UNITAT führt
Khol ins Treffen, daß sie erstens - verwerflich genug - "die Zeitung
des kommunistischen Studentenverbandes" ist und zweitens einen Artikel
mit dem Titel "Kein Maulkorb für das TATblatt" veröffentlichte.
Verwunderlich ist, daß Herrn Khol die Einstellung der Presseförderung
für die Zeitschrift profil noch nicht gefordert hat, in der ebenfalls
mehrere Beiträge zu den Themen 'Ebergassing' und TATblatt erschienen.
Zusammenfassung:
Khol möchte hier Medien dafür bestraft sehen, daß sie
ihre Aufgabe ganz im Sinne des Bundesgesetzes über die Förderung
politischer Bildungsarbeit und Publizistik ernstlich und anständig
wahrnehmen, indem sie mit vielfältigen Berichten und Kommentaren
- gerade auch mit solchen, die nicht aus der nach dem selben Gesetz
geförderten Parteischule der ÖVP stammen - zur staatsbürgerlichen
Bildung beitragen.
- Diffamierung von LeserInnen
und AutorInnen
Als besonders verwerflich
gilt für Herrn Khol, daß die von ihm verfolgten Zeitschriften
"denselben linksradikalen Leserkreis erreichen wollen", was durch Tauschinserate
zu belegen er nicht müde wird. Daraus, daß jemand bei jemandem
inseriert, der seinerseits bei jemandem inseriert, läßt sich
trefflich jedes beliebige "Netzwerk" konstruieren. Wie wäre das
zum Beispiel, wenn wir sagten: Die Presse veröffentlichte ein Inserat
der rechtsextremen Aula, die ÖVP inserierte in der Presse; hätten
wir die Möglichkeit, zwei aus Mitteln der staatlichen Klubfinanzierung
bezahlte Mitarbeiter mit Recherchen zu beauftragen, so könnten
wir uns auch noch darum kümmern, wer sonst noch in der Presse und
wo die Presse sonst noch inseriert. In der Aula inserierte außerdem
z.B. die Firma "Mister Minit": Wer weiß, ob wir damit nicht den
Schlüssel zu einem Netzwerk von ungeahntem Ausmaß in der
Hand haben.
Wir wunderten uns schon
darüber, daß Khol in diesem Jahr Herkunft und Hinkunft von
Autorinnen und Autoren (z.B. als grüne Nationalratsabgeordnete
oder sozialdemokratische MinisterInnen) nicht zur Diffamierung heranzieht,
wie er das noch 1995 getan hat. In diesem Jahr tut er es zwar ähnlich,
aber umgekehrt: Er wirft SPÖ und Grünen vor, daß Angehörige
dieser Parteien in den von ihm diffamierten Zeitschriften Artikel veröffentlicht
haben. Damit fügt Khol beide Parteien in diskreditierender Absicht
in sein phantastisches 'linksradikal-linksalternatives' Netzwerk ein.
Wird er als nächstes die Einstellung der Parteienförderung
für den Koalitionspartner fordern? Wie weit würde er wohl
in Wunschkoalition mit der FPÖ gehen?
- Schlichte Unwahrheiten
Khol behauptet in seiner
Anfrage an den Bundeskanzler wahrheitswidrig:
a) daß die Vereinigung
alternativer Zeitungen und Zeitschriften (VAZ) Herausgeberin des FORVM
(dessen richtige Schreibweise Khol nicht einmal bekannt ist) sei. Diese
verdienstvolle Aufgabe erfüllte jedoch der frühere Obmann
der VAZ, Gerhard Oberschlick, mit äußerstem persönlichem
Einsatz so lange es der Zustand der Republik ihm erlaubte. Das FORVM
mußte im letzten Jahr eingestellt werden, nachdem es vierzig Jahre
lang zu den bedeutendsten Zeitschriften des deutschsprachigen Raumes
gehörte. Khol offenbart in seiner Anfrage außer Unfähigkeit
zur Recherche auch eine politische und intellektuelle Ignoranz, die
in Verbindung mit seinem politischen Einfluß der Republik zur
Schande gereicht.
b) daß es sich bei
der "akademischen Tafelrunde 'Anarchia Randalia'" um eine "links-anarchistische
Vereinigung" handle, was sie ebenso wenig ist, wie die Londoner Untergrundbahn
eine politische Bewegung. Es handelt sich vielmehr um ein Kabarettprogramm.
Nachdem er diese Ente Herrn Stadler (Abg.z. NR, FPÖ) abgenommen
hat, braucht er für unseren Spott nicht mehr zu sorgen.
c) daß "bereits diverse
Belege aus dem Jahr 1993" unter anderem "Verbindungen" der akin "zur
RAF" dokumentierten. Wenn diese Belege so erbracht wie divers wären,
wären unsere Zweifel vielleicht so zerstreut wie die angedeuteten.
Vielleicht wäre Radfahren am Freitag der Wahrheitsfindung dienlich.
d) daß die Bundesregierung
1995 beschlossen habe, die an.schläge nicht zu fördern. Wunsch
- Vater der Enunziation: Damit phantasiert Khol bloß einen in
diesem Punkt mißlungenen Erpressungsversuch seinerseits zu einem
Regierungsbeschluß um.
- Erpressung
Khol will in seiner Anfrage
an den Bundeskanzler die Schuld dafür, daß eine Beschlußfassung
über die Publizistikförderung bisher nicht zustande kam, dem
Klubobmann der SPÖ, Dr. Kostelka, in die Schuhe schieben. Dies
ist eine unverschämte Verdrehung der Tatsachen. Wahr ist vielmehr,
daß Khol und mit ihm die ÖVP-Mitglieder der Bundesregierung
die Beschlußfassung über die Publizistikförderung seit
Wochen blockieren, um damit die Streichung der von ihnen verfolgten
Medien aus der Liste der vom überparteilichen Beirat empfohlenen
Zeitschriften zu erpressen. Ginge es nach der SPÖ - das muß
zu ihrer Ehre gesagt werden - dann wäre die Publizistikförderung
1996 ganz im Sinne und nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über
die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik längst
beschlossen und ausbezahlt.
- Gesinnungsvollzug
Wir sind uns des gemäß
Abschnitt II des Bundesgesetzes über
die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik der
Bundesregierung eingeräumten Ermessensspielraumes ("kann"-Bestimmung)
bewußt. Wir erachten jedoch auch die Bunderegierung als Organ
der Vollziehung von Bundesgesetzen als an die Bundesverfassung, sohin
an deren Art. 18 und insofern an das Gebot der Legalität und Sachlichkeit
in Wahrnehmung der Bundesverwaltung, gebunden. Auch die Bundesregierung
hat ihre Entscheidung anhand der zugrundeliegenden Rechtsnorm zu begründen,
wenngleich sie diese Begründung nicht den Antragstellern, sondern
dem Hauptausschuß des Nationalrates mitzuteilen hat (§
11 leg.cit.). Bei der Berichterstattung an den Hauptausschuß
über den von der ÖVP erpreßten, gesetzwidrigen Gesetzesvollzug
im Jahr 1995, geriet die Bundesregierung bereits in erhebliche Verlegenheit:
Gemäß §
6 des zitierten Gesetzes "obliegt" dem Bund "nach folgenden Bestimmungen
die Förderung periodischer Druckschriften im Hinblick auf die Erhaltung
ihrer Vielfalt und Vielzahl". Die "folgenden" Bestimmungen finden sich
in § 7 und sehen neben einer
Reihe formaler Kriterien folgendes inhaltliche Kriterium vor: gemäß
§ 7 Ziffer 3 sind solche
Zeitschriften förderungswürdig, die "ausschließlich
oder vorwiegend Fragen der Politik, der Kultur oder der Weltanschauung
(Religion) oder der damit zusammenhängenden wissenschaftlichen
Disziplinen auf hohem Niveau abhandeln und dadurch der staatsbürgerlichen
Bildung dienen". Die Bundesregierung hat bereits in ihrem Bericht an
den Hauptausschuß des Nationalrates über die Publizistikförderung
1995 hinsichtlich der Ablehnung der Zeitschriften EKG, Die Linke, UNITAT,
und ZAM mit keinem Wort auf diese Bestimmung Bezug genommen. Sie hat
- erpreßt durch die ÖVP - mit dieser bloß willkürlichen
und abseits jeglicher gesetzlichen Grundlage begründeten Unterlassung
der Zuerkennung der Publizistikförderung an vier Zeitschriften,
die nach Ansicht des Beirates
(§
9 leg.cit.) die Kriterien der Förderungswürdigkeit gemäß
§ 7 leg.cit. sehr wohl erfüllten,
die Erfüllung einer gesetzlichen Obliegenheit (§
6 leg.cit.) durch den Bund vereitelt und sich des Rechts- und Verfassungsbruchs
(Art. 18 B-VG sowie Art. 7 B-VG) schuldig gemacht.
Khol fordert als Teilnehmer
an der gesetzgebenden Gewalt dieses Staates die Mißachtung von
Gesetzen zugunsten seiner repressiven Absichten. Sein Angriff auf zehn
Zeitschriften aus dem alternativen Bereich ist ein Angriff auf jedes
anständige Medium dieses Landes, das seinem Geschmack nicht entspricht.
Er mutet mit seiner Anfrage
der Bundesregierung die ungeheure Vermessenheit zu, nur solche Zeitschriften
zu fördern, deren Veröffentlichungen ihrer Meinung entsprechen,
die wiederum Khols Meinung zu entsprechen hätte (aus den Fragen
an den Bundeskanzler: "2. Teilen Sie die politischen Ansichten der herausgebenden
Gruppen mit allen Konsequenzen für die demokratische Republik Österreich?"
sowie "4. Halten Sie die Förderung dieser Zeitschriften in Anbetracht
der von diesen beabsichtigten Polarisierung der österreichischen
Bevölkerung tatsächlich für demokratiepolitisch und im
Sinne einer wehrhaften Demokratie vertretbar?").
Khol betreibt damit in mißbräuchlicher
Ausnützung seines beklagenswerter Weise bis in die Regierung reichenden
Einflusses eine Polarisierung der österreichischen Bevölkerung
und eine Desintegration des politischen Systems, zu denen alternativen
Zeitschriften sowohl die Rücksichtslosigkeit als auch die Machtmittel
fehlen.
Die VAZ wies bereits in
ihrer letzten Aussendung darauf hin, daß es nur eines kleinen
Schrittes bedarf, diesen Gesinnungsvollzug zu einer wahrhaften Gesinnungsjustiz
auszuweiten, wie sie zuletzt unter faschistischen Regimes gepflogen
wurde. Darin liegt unter anderem die Verbindung der Khol'schen, demokratiegefährdenden
Umtriebe zu Zensur und Meinungsterror.
"Wirtschaftszensur"
ist - wie die Journalistengewerkschaft
richtig bemerkte - schon jetzt das vorläufige Ergebnis.
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