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VAZ Dokumentation:
2678/AB XX.GP zur Zahl 2675/J-NR/1997

Die Abgeordneten zum Nationalrat Kiss, Platter und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Überwachung des TATblatts, gerichtet und folgende Fragen gestellt: "1. Warum wurde die Staatsanwaltschaft mit der TATblatt Nummer plus 69 vom 30. Jänner 1997 erst am 9. Mai 1997 befaßt? 2. Wie beurteilen Sie unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Sicherheit, daß der Verkauf von Anschlagsanleitungen in Österreich ein legales Vorgehen dar- stellt? 3. Halten Sie in diesem Zusammenhang eine Novellierung des StGB für ange- bracht? 4. Wenn ja, welche Schritte werden Sie dahingehend einleiten? 5. Wurden Sie durch die Sicherheitsbehörden über den Verkauf von Anschlagan- leitungen im TATblatt im Jahr 1996 informiert? 6. Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt und in Bezug auf welche Ausgaben? 7. Haben Ihnen die Sicherheitsbehörden 1996 und 1997 Belege anderer Publika- tionen zur Überprüfung möglicher strafrechtlich relevanter Tatbestände über- mittelt? 8. Wenn ja, um welche Publikationen und Inhalte handelt es sich, und was waren die Ergebnisse der Überprüfungen?"

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Die Gründe, warum die Staatsanwaltschaft Wien mit der TATblatt-Ausgabe Nummer plus 69 erst am 9. Mai 1997 befaßt worden ist, sind weder der Staatsanwaltschaft Wien noch sonst im Justizressort bekannt. Im Justizressort ist jedenfalls keine Verzögerung bei der strafrechtlichen Überprüfung dieser TATblatt-Ausgabe eingetreten.

Zu 2 bis 4:

Die bereits in der schriftlichen Anfragebeantwortung zur Zahl 2249/J-NR/97 dargestellten Tatbestände der Aufforderung zum ungehorsam gegen Gesetze sowie der Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen nach den §§ 281 und 282 StGB befinden sich im Zwanzigsten Abschnitt des StGB, worin jene Strafbestimmungen zusammengefaßt sind, die un mittelbar dem Schutze des öffentlichen Friedens und der Bekämpfung des Terrors im Inneren dienen. Primärer Schutzzweck ist in allen Fällen die Aufrechterhaltung und Sicherung des inneren Friedens, worunter - wie in der einschlägigen Literatur ausgeführt wird - im Kern ein Zustand zu verstehen ist, in dem das Gemeinschaftsleben im Staat in einer Atmosphäre allgemeiner Rechtssicherheit frei von gegenwärtigen oder drohenden gewalttätigen kollektiven Auseinandersetzungen, verbreiteten aggressiven Emotionen und sonstigen latenten Gefahren für das einträchtige Mit- und Nebeneinander der Menschen verläuft.

Während dementsprechend § 281 qualifiziert öffentliche Aufforderungen zu einer allgemeinen Mißachtung von Gesetzen, die nicht zugleich eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung ist, verpönt, bietet § 12 StGB (in Verbindung mit der jeweiligen Strafbestimmung) die Grundlage für die Bestrafung einer Person, die andere auffordert, eine bestimmte, schon hinreichend konkretisierte Straftat zu begehen (Bestimmungstäterschaft, "Anstiftung"). Demgegenüber stellt § 282 eine Strafbestimmung gegen die qualifiziert öffentliche Aufforderung zur Begehung von nicht ebenso konkretisierten Taten (sowie die qualifiziert öffentliche Gutheißung bereits begangener gerichtlich strafbarer Handlungen gewisser Schwere) dar.

"Aufforderung" im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Äußerung, die dahin wirken soll, daß in anderen unmittelbar der Entschluß zum ungehorsam gegen das betreffende Gesetz bzw. unmittelbar der Entschluß zur Begehung einer Straftat erweckt wird. Für das "Auffordern" im Sinne des § 282 StGB ist es nicht erforderlich, daß die strafbedrohte Handlung individuell bestimmt ist, immerhin muß aber erkennbar sein, daß zu einer - zumindest Ihrer Gattung nach - bestimmbaren Straftat unmittelbar aufgefordert - somit der Tatentschluß erweckt - werden soll. "Allgemeiner Ungehorsam" in diesem Zusammenhang bedeutet, daß eine wesentliche Bestimmung des Gesetzes mißachtet werden soll, wobei sich entweder alle (oder doch die überwiegende Mehrheit der) Normunterworfenen nicht bloß vereinzelt, sondern ständig nicht an das Gesetz halten sollen.

Es handelt sich bei diesen Tatbeständen somit bereits - untechnisch gesprochen - um Vorbereitungshandlungen, die den Bereich der Strafbarkeit insoferne vorverlagern, als nicht erst die Ausführung der Handlungen oder Unterlassungen, zu denen aufgefordert wird, zu verfolgen und zu bestrafen ist, sondern schon eine Handlung in deren Vorfeld, die in qualifizierter Weise den öffentlichen Frieden gefährdet. Um diese Handlungen von solchen, die den öffentlichen Frieden nicht - wie oben beschrieben - gefährden, abzugrenzen, umschreibt das Gesetz Voraussetzungen, denen die inkriminierten Veröffentlichungen in concreto nicht entsprechen.

Behält man das Rechtsgut des Schutzes des öffentlichen Friedens im Auge, so schiene es problematisch, den Bereich des Strafbaren - über die angeführten Strafbestimmungen hinaus - noch weiter in das Vorfeld der Gefährdung oder Verletzung konkreter Rechtsgüter zu verlagern. Eine solche Vorverlagerung würde letztlich auf den Versuch der Unterbindung bestimmter (als gefährlich erachteter) Informationen hinauslaufen. Eine Abgrenzung als strafwürdig empfundener von anderen Verhaltensweisen auf generell-abstrakter Ebene fiele außerordentlich schwer, zumal das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Informationsfreiheit einer Pönalisierung in dieser Richtung jedenfalls enge Grenzen setzt. Dazu kommt, daß Informationen über "Anschlagsanleitungen" heute auch im Wege des Internet verbreitet werden, sodaß allfällige Gegenmaßnahmen auf rein nationaler Ebene nicht ausreichend erscheinen.

Angesichts dieser Situation vermag ich derzeit keine konkrete Perspektive für legislative Schritte auf strafrechtlichem Gebiet zu erkennen. Das Bundesministerium für Justiz wird jedoch die weitere Entwicklung in diesem Bereich - insbesondere auch auf internationaler Ebene - beobachten.

Zu 5 und 6:

Die Bundespolizeidirektion Wien, Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten, übermittelt fast regelmäßig der Staatsanwaltschaft Wien Ablichtungen der "TATblatt"-Ausgaben zur Kenntnisnahme. Dem Bundesministerium für Justiz ist über diese Aktenvorgänge in den Jahren 1996 und 1997 nur im Zusammenhang mit den parlamentarischen Anfragen Zl. 2249/J-NR/1997 und Zl. 2820/J-NR/1997 sowie der vorliegenden Anfrage berichtet worden.

Zu 7 und 8:

Das Bundesministerium für Justiz hat aus Anlaß der vorliegenden Anfrage von allen Staatsanwaltschaften Berichte eingeholt. Lediglich die Staatsanwaltschaft Linz hat berichtet, daß bei ihr Anfang 1996 eine Anzeige eingelangt ist, in der behauptet wurde, daß in Geschäften CD-Roms mit Anleitungen zum Bombenbasteln zum Kauf angeboten werden. Die Sichtung des sichergestellten Materials hat jedoch keine Indizien für das Vorliegen eines strafbaren Tatbestandes ergeben. Die Staatsanwaltschaft Wien, an die diese Anzeige abgetreten worden ist, hat daher die Erklärung nach § 90 Abs. 1 StPO abgegeben.

Alle anderen Staatsanwaltschaften haben berichtet daß ihnen keine Publikationen mit "Anschlaganleitungen" zur strafrechtlichen Überprüfung vorgelegt wurden.