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VAZ-Pressespiegel: multiMEDIA, 16.1.1997
Zitterpartie Publizistikförderung
Bereits zum zweiten Male wurden nichtkommerziellen Zeitschriften auf Betreiben der ÖVP die Publizistikförderung gestrichen.

"Wenn der Khol sich stur stellt, nutzt alles nichts", zieht Gisela Vorrath von der Journalistengewerkschaft Bilanz. Selbst Vermittlungsversuchen seitens der Journalistengewerkschaft stellte Khol sich taub: Ein Treffen sagte Khol zwanzig Minuten vor dem vereinbarten Termin ab.

So beschloß der Ministerrat am 10. Dezember 110 Publikationen mit insgesamt 7 Millionen Schilling zu fördern, jedoch auf Druck der ÖVP-Ministerratfraktion erhielten die vom Publizistikbeirat als förderungswürdig erachteten Zeitschriften Aktuelle Informationen - AKIN, Die Alternative und Zoom kein Geld.

Gleich zehn Zeitschriften - gut ein Viertel der im engeren Sinne des gesetzlichen Förderungszweckes politisch bildenden Zeitschriften! - wollte die ÖVP trotz eines vom fachlich hochkarätig besetzten Publizistikbeirates einhellig beschlossenenen Vorschlages aus der Förderliste nachträglich streichen. Die feministischen An.schläge wurde aus Khols engerer Auswahl erst nach Intervention der Frauenministerin Helge Konrad genommen. ArbeiterInnenstandpunkt, Auf, Juridikum, Lambda Nachrichten, Revolutionärer Marxismus und UNITAT wurden nach dem Widerstand von SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka nur noch als "problematisch eingestuft und von der ÖVP beanstandet."

Andreas Khol behauptete in einer parlamentarischen Anfrage vom 5. Dezember 1996, daß die beanstandeten Zeitschriften, "dem linksextremen oder linksalternativen Spektrum zuzuordnen seien, zur Wehrdienstverweigerung aufforderten, mit dem "links-anarchistischen" TATblatt in Verbindung stehen oder 'zumindest sich mit den außerhalb des Verfassungsbogens befindlichen Aktivitäten der oben genannten solidarisch erklären.'"

Für Khol sind nicht nur Inserate des TATblatt in anderen Zeitungen ein Ausschlußgrund, sondern auch die Berichterstattung über das TATblatt: Dem linksalternativen Diskussionsforum AKIN wirft Khol einen Gastkommentar von FORVM-Herausgeber Jörg Oberschlick und von Christian Michelides vor, in dem gerade die auch im Vorjahr angewandten Methoden von Khol kritisiert werden. Der Gewerkschaftszeitschrift Die Alternative hat einem Redaktionsmitglied des TATblatts Gelegenheit zur "Stellungnahme zu den Vorwürfen des linksextremen Terrors" geben. Bei der feministischen Auf sollten alleine Austauschinserate mit UNITAT, Lambda Nachrichten und An.schläge und daß im Rahmen einer Buchbesprechung eine pornographische Darstellung "(masturbierende Frau)" erfolgt sein soll Auschlußgründe sein. Der JuristInnenzeitschrift Juridikum, in der zahlreiche namhafte Rechtsexperten schreiben, wirft Khol ein Austauschinserat mit dem EKG und einen Spendenaufruf für die im Vorjahr auf Betreiben der ÖVP ausgeschlossenen Zeitschriften vor. Das Spendenkonto stellte die Journalistengewerkschaft zur Verfügung.

Dem ZOOM wirft Khol vor, daß eine Ihrer Vorgänger, die ZAM, einen Bericht über einen von mehreren hundert Personen unterstützten "Aufruf zur Nichtbefolgung von Militärgesetzen" "erlassen" habe, deren "grundsätzlich antimilitaristische Haltung" sowie ihre "Solidarisierung mit den Zeugen Jehovas" weil ZAM schrieb: "Der Umgang mit den Zeugen Jehovas durch die Militärbehörden zeigt, wie schlecht es in Österreich um die Gewissensfreiheit unter der Wehrpflicht steht." Dem anderen ZOOM-Vorgänger, EKG, wirft Khol eine "Anti-Europa-Linie" vor.

Laut Khol belegten Austauschinserate von Zeitschriften mit dem TATblatt, daß "diese denselben linksradikalen Leserkreis erreichen wollen". Khol wirft der SPÖ und den Grünen vor, daß Funktionäre dieser Parteien in den "linksradikalen" Zeitschriften Artikel veröffentlichten. Daß in den angeblich radikalen an.schlägen Interviews mit und Gastbeiträgen von ÖVP-Politikerinnen erschienen sind, verschweigt Khol.

Khol verbreitete Unwahrheiten: Er behauptet, daß das "Forum" von der "Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften" (VAZ) herausgegeben worden sei. Richtig: Das von Friedrich Torberg gegründete FORVM wurde zuletzt von Jörg Oberschlick herausgegeben. Die Alternative habe "ein Inserat der Akademischen Tafelrunde 'Anaricha Randalia' (linksanarchistische Vereinigung, bewußt im verfälschten Burschenschafter-Jargon)" veröffentlicht, doch es handelte sich um die Ankündigung eines Kabarett-Programmes. Entgegen Khols Behauptung haben die an.schläge im Vorjahr doch die Förderung erhalten. Diese und andere Fehler sind wohl mit ein Grund, daß die ÖVP die parlamentarische Anfrage von Andreas Khol wieder zurückgezogen hat.

Aufschlußreich sind die Fragen Khols an Bundeskanzler Franz Vranitzky. Khol wollte wissen, ob Vranitzky "die politischen Ansichten der herausgebenden Gruppen mit allen Konsequenzen für die demokratische Republik Österreich" teile und die Förderung dieser Zeitschriften, die eine "Polarisierung der Bevölkerung" anstrebten, im "Sinne einer wehrhaften Demokratie" für vertretbar halte. Weiters wollte Khol wissen, wie das Innenministerium die Zeitschriften beurteile bzw. wieso die Staatspolizei nicht "dieses linksextreme gewaltbereite Spektrum" beobachte.

Khols Angriffe auf die zehn Zeitschriften stießen bei anderen Parteien und Organisationen durchwegs auf Ablehnung. SPÖ-Klubobmann Kostelka sprach von einem "Rückfall in Metternichscher Pressezensur". Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum) rät der Regierung "die Publizistikförderung nicht zum Spielball ihrer Ideologien werden zu lassen" und fordert: "Gerade im Medienbereich ist es wichtig, daß Fachleute diese Entscheidungen treffen und nicht politisch motivierte Personen, denen es um die Durchsetzung ihrer jeweiligen Ideologismen geht und die sich darüber hinaus mit der Materie sicherlich nicht so intensiv befaßt haben." Die Journalistengewerkschaft sieht Österreich "medienpolitisch auf das Niveau von Kroatien und der Slowakei gedrückt, wo die oppositionelle Presse ebenfalls mit Wirtschaftssanktionen verfolgt wird."

Die VAZ will die Regierung wegen Verletzung des Gesetzes zur Publizistikförderung und Verfassungsbruch klagen. Die Journalistengewerkschaft wird die Europäische Menschenrechtskommission, den Europarat und die Internationale Journalistenföderation. Gisela Vorrath gibt sich optimistisch: "Selbst in der Slowakei wirkt das."

MARTIN MAIR

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