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Offener Brief an Herrn
Abg.z.NR Wien, am 04.12.95 Die
Publizistikförderung, Ihre Lernfortschritte, Herr Kiss! Sie haben der Presse am 24. November dieses Jahres detaillierte Übersichten über die Anzeigengestion und Werbetätigkeit einiger alternativer Zeitschriften und politischer Organisationen zusammen mit ebenso übersichtlichen Inhaltsangaben einiger in ersteren erschienener Artikel vorgelegt. Nun gut: Recherchieren haben Sie seit Ihrer Behauptung "beträchtlicher Mittel aus der Presseförderung", die das FORVM nie erhielt, offenbar gelernt. Sollten wir dazu etwas beigetragen haben, würden wir uns freuen, schließlich ist das unser Metier. Leider müssen wir aber feststellen, daß Sie andere, womöglich wichtigere Lehren aus unserem offenen Brief vom 19. Juni dieses Jahres nicht gezogen haben: Wir laden Sie daher pflichtgemäß nochmals ein, sich darüber Gedanken zu machen, was womit wie zu tun hat und was dabei Ihre Rolle als Abgeordneter zum Nationalrat, als Politiker und als Angehöriger der gesetzgebenden Gewalt in diesem Staat, sein könnte: Daß Sie bestimmte Zeitschriften nicht mögen, weil sie Ihrer politischen Auffassung und Ihrem Geschmack nicht entsprechen, ist uns bereits hinlänglich bekannt; daß Sie einen Wahlkampf zu führen haben wissen wir auch - das geht uns aber, bitt' recht schön, nichts an. Wir fragen Sie daher nochmals und in aller uns zu Gebote stehenden Höflichkeit: Woher nehmen Sie die Vermessenheit, Ihre politische Meinung und Ihren persönlichen Geschmack einer Bundesregierung als Entscheidungskriterium in einer Angelegenheit zuzumuten, die durch Bundesgesetz geregelt und demgemäß zu entscheiden ist? Wir sind uns, offen gesagt, unserer Fähigkeit zu fortgesetzter Höflichkeit nicht sicher, zumal Sie und Ihre Gesinnungsgenossen oder Meinungsfreunde nunmehr von der bloßen Forderung nach Gesinnungsjurisprudenz zu deren nackter Erpressung übergegangen sind, namentlich durch Ihren Parteifreund Molterer, der (wie wir dem "Kurier" vom 15. Novemer entnehmen) die Beschlußfassung über die Zuerkennung der Publizistikförderung im Ministerrat "blockiert". Also nochmals unsere Frage: Wie ist es Ihnen gelungen, das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und die Publizistik, die der staatsbürgerlichen Bildung dient, dahingehend zu interpretieren, daß es etwa eine Beurteilung der Förderungswerber anhand des Inhalts oder der Herkunft der erschienenen Inserate vorsähe oder anhand der politischen und beruflichen Tätigkeit der Autorinnen und Autoren oder anhand der betrieblichen Verhältnisse und Kooperationsformen der Medieninhaber. Rechtsbelehrung: Im fahlen Lichte des Bundesgesetzes, in dem unglücklicherweise die Publizistikförderung als mageres Anhängsel der Subventionierung der sogenannten "Parteiakademien" geregelt ist (deren unseres Wissens auch die ÖVP eine betreibt - wer dort verkehrt, wann, mit wem und warum, ist uns allerdings uninteressant), sind jedenfalls diese Ihre Vorbringungen unerheblich. Förderungswürdig sind nämlich völlig unabhängig von Inseraten, Bürogemeinschaften, Druckaufträgen, persönlicher Herkunft und Hinkunft der Autorinnen und Autoren und was Sie da sonst noch alles zur Konstruktion eines für Ihr Vorhaben ohnehin belanglosen "Umfeldes" anschleppen, alle jene Zeitschriften, die "der staatsbürgerlichen Bildung dienen", und zwar auf "hohem Niveau". Und mit diesem entscheidenden Kriterium haben Sie, Herr Kiss, sich in all den Monaten, die Sie sich nun schon mit der Materie beschäftigt haben könnten, in keiner Weise auseinandergesetzt. Sie würden uns viel Arbeit ersparen, wenn Sie endlich beginnen würden, das zu begreifen. Sagen Sie der Öffentlichkeit doch einmal, was Sie für "staatsbürgerlich bildend" halten und welche Kriterien für ein "hohes Niveau" Sie uns nennen können! Versuchen Sie es doch einmal, auch wenn es vielleicht für Ihre eigene Parteischule finanzielle Einbußen mit sich bringen kann! Es wäre ja immerhin auch möglich, daß Sie - ganz ähnlich dem Anführer einer nunmehr zur "Bewegung" aufgeblasenen Partei - die Freiheit zur Ausübung "staatsbürgerlicher Bildung" und Meinungsäußerung nur Ihren eigenen Gesinnungsfreunden zugestanden wissen wollen und dabei ein "hohes Niveau" phantasieren, das sich, normativ gegen Sie gewendet, chimärisch wie es nun einmal ist, als schmerzlicher Bumerang erweisen könnte. Sie spielen sich gerne als Hüter des Rechtsstaates auf: Gemäß dessen Spielregeln ist es nun das Geschäft der Bundesregierung, in einem rechtmäßigen Verfahren eine gesetzeskonforme Entscheidung über die Zuerkennung der Publizistikförderung zu treffen. Was Sie sich jenseits dessen wünschen, können Sie als rechtspolitische Forderung auf Ihrer eigenen Spielwiese vorbringen, das ist der Nationalrat. Denken Sie halt weiter darüber nach und tun Sie, was Sie dann immer noch nicht lassen können, um sich unser wirkliches, radikales Umfeld doch noch zu schaffen. Wir werden uns halt inzwischen vertretbare Mittelwege zwischen höflicher Belehrung und unfeinem, aber offenbar wirkungsvollerem Mundtotschlag überlegen müssen. Es wird uns schon was einfallen. Mit Grüßen |