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Zeitschriftenförderung: Briefwechsel 3 An die Wien, am 13.02.96 Publizistikförderung 1995 Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wie wir Ihrer Beantwortung unserer Anfrage an die Bundesregierung vom 12. Dezember 1995 durch den Verfassungsdienst Ihres Amtes entnehmen, wurde die Publizistikförderung 1995 vier Zeitschriften aus dem alternativen Bereich nicht gewährt, weil ein entsprechender - einstimmiger - Beschluß der Bundesregierung nicht zustandekam. Wir erlauben uns allerdings darauf zu bestehen, daß unsere Anfrage nicht auf die bloße Faktizität, sondern auf eine Begründung dieser Entscheidung der Bundesregierung gerichtet war. Wir sind uns des gemäß Abschnitt II des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik der Bundesregierung eingeräumten Ermessensspielraumes ("kann"-Bestimmung) bewußt. Wir erachten jedoch auch die Bunderegierung als Organ der Vollziehung von Bundesgesetzen als an die Bundesverfassung, sohin an deren Art. 18 und insofern an das Gebot der Legalität und Sachlichkeit in Wahrnehmung der Bundesverwaltung, gebunden und halten es daher nicht für eine ungebührliche Zumutung, sondern für eine Selbverständlichkeit, daß die Bundesregierung auch in der Lage sein sollte, ihre Entscheidung anhand der zugrundeliegenden Rechtsnorm zu begründen, auch und gerade dann, wenn diese Entscheidung in einer Unterlassung besteht. Gemäß § 6 des zitierten Gesetzes "obliegt" dem Bund "nach folgenden Bestimmungen die Förderung periodischer Druckschriften im Hinblick auf die Erhaltung ihrer Vielfalt und Vielzahl". Die "folgenden" Bestimmungen finden sich in § 7 und sehen neben einer Reihe formaler Kriterien folgendes inhaltliche Kriterium vor: gemäß § 7 Ziffer 3 sind solche Zeitschriften förderungswürdig, die "ausschließlich oder vorwiegend Fragen der Politik, der Kultur oder der Weltanschauung (Religion) oder der damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Disziplinen auf hohem Niveau abhandeln und dadurch der staatsbürgerlichen Bildung dienen". Da die Bundesregierung ihre Unterlassung der Zuerkennung weder gemäß diesem Kriterium noch gemäß einem der übrigen, in dem zitierten Gesetz angeführten, Kriterien begründet hat, sondern laut Agenturmeldungen eine Begründung wählte, die an den Bestimmungen dieses Gesetzes vollkommen vorbeigeht und die überdies auf alle übrigen Antragsteller, denen jedoch die Publizistikförderung 1995 zuerkannt wurde, ebenfalls zugetroffen hätte (unseres Wissens hat keine der geförderten Zeitschriften eine "Abgrenzung zu Gewalt und Gesetzesbruch in der Blattlinie" vorgesehen - was auch immer mit 'Blattlinie' gemeint sein mag), müssen wir die Entscheidung der Bundesregierung als einen Akt der Willkür und als nicht vereinbar mit Art. 18 des Bundes-Verfassungsgesetzes (Legalitätsgebot, Sachlichkeitsgebot) sowie überdies mit Art. 7 B-VG (Gleichheitssatz!) ansehen. Mit unserer Anfrage vom 12. Dezember 1995 wollten wir der Bundesregierung die Gelegenheit geben, allenfalls gesetzeskonforme Begründungen ihrer Entscheidung bekanntzugeben und sohin dem Vorwurf der Willkür entgegenzutreten. Leider müssen wir feststellen, daß ihr dies mit dem Schreiben vom 23. Jänner durch den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes nicht gelungen ist. Es bleibt somit folgender Vorwurf an die Bundesregierung bestehen: Die Bundesregierung hat durch die offenbar nicht gemäß dem Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik, sondern bloß willkürlich und abseits jeglicher gesetzlichen Grundlage begründete Unterlassung der Zuerkennung der Publizistikförderung an vier Zeitschriften, die nach Ansicht des Beirates (§ 9 leg.cit.) sowie der Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften die Kriterien der Förderungswürdigkeit gemäß § 7 leg.cit. sehr wohl erfüllen, die Erfüllung einer gesetzlichen Obliegenheit (§ 6 leg.cit.) durch den Bund vereitelt und sich des Rechts- und Verfassungsbruchs (Art. 18 B-VG sowie Art. 7 B-VG) schuldig gemacht. Wir werden uns erlauben, diesen Standpunkt im weiteren auch öffentlich zu vertreten, sind jedoch für allfällige weitere Stellungnahmen der Bundesregierung zu diesem demokratiepolitisch brisanten Thema offen. Einstweilen verbleiben wir mit dem Ausdruck
angemessener Hochachtung |